Die Digitalisierung ist in aller Munde – und eine große Herausforderung. Manchen macht sie Angst, andere schätzen längst ihre Vorteile. Das Kniesehaus hat den Wandel für die Digitalisierung im Pflegeunternehmen früh angestoßen.
Anna Richter ist die rechte Hand von Geschäftsführer und Einrichtungsleiter Ingo Bröcker und gemeinsam haben sie die Vision, das Kniesehaus zunehmend kabel- und papierlos zu machen. Im Alltag stoßen die beiden auf eine Vielzahl an Anforderungen, die zu erfüllen sind. Dabei zeigt sich auch, was ihr gut aufgestellter Betrieb ausmacht: Sie setzen bei den Menschen an, sprechen über Wandel und Möglichkeiten und beziehen dabei Mitarbeitende, Bewohner:innen und ihre Angehörigen mit ein.
Mit Augenzwinkern wird Anna Richter „externe Festplatte“ genannt, weil sie oft Zahlen, Daten und Termine im Kopf hat. Die 37-Jährige kennt die Zeit, als alle Informationen auf Zetteln notiert und an Computerbildschirme geklebt wurden. „Viele wichtige Infos gingen dabei verloren und kamen nicht bei den richtigen Empfänger:innen an. Das geht digital definitiv besser. Und sicherer.“
Als wichtige digitale Helfer nennt Anna Richter die elektronische Pflegedokumentation und die Dienstplangestaltung für den Personaleinsatz. Noch vor zwei Jahren wurden mit Stift und Papier Patient:innenakten angelegt. Das war zeitintensiv und geht heute einfacher, schneller und ist messbar. Damit steht ein gewaltiger Datenschatz zur Verfügung, um beispielsweise die fünf großen Risiken Sturz, Dekubitus, Schmerz, Fehlernährung und Inkontinenz bei den Bewohner:innen zu analysieren und vorzubeugen.
„Klar, die Umstellung von analog auf digital ist für manche Mitarbeitenden schwierig, sie müssen Gewohntes und Vertrautes loslassen. Aber mit der nötigen Ruhe gelingt die schrittweise Anpassung“, berichtet Anna Richter. Um wirklich alle mitzunehmen, wurden die Schritte verstehbar gemacht und das Warum und Wofür erklärt. „Digitalisierung heißt auch, die Menschen zu erreichen, zu begeistern und vor allem viel stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Es reicht nämlich nicht, nur die Strukturen im Unternehmen anzupassen. Auch die Unternehmenskultur muss verändert werden.“
Mit der Digitalisierung gewinnt das Kniesehaus viele technische Möglichkeiten, um den Informationsfluss zu verbessern und Wissen orts- und personenunabhängig zur Verfügung zu stellen. Das steigert die Transparenz und damit die Qualität. Doch als traditionell geprägter Betrieb stellt es verständlicherweise einen großen Wandel dar, wenn gewohnte Abläufe abgelöst und die Arbeitsweise verändert wird.
Anna Richter betont: „Die größte Herausforderung ist eine stabile WLAN-Infrastruktur, denn sie ist die Grundvoraussetzung für alle digitalen Prozesse. Wir haben sogar WLAN im Garten unserer Wohnstätte. Darüber hinaus stellen die hohen Datenschutzbestimmungen eine enorme Komplexität dar.“
Mit Beginn der Coronapandemie wurde umso deutlicher, dass mobiles Arbeiten die Abläufe vereinfacht. Anna Richter nennt ein Beispiel: „Statt ewiger Zettelwirtschaft sind alle Coronaimpfungen unserer Bewohner:innen elektronisch erfasst. Mit einem Klick hat man die Information, statt Akte für Akte zu durchforsten.“
„Eine große Erleichterung sind die regelmäßigen Reports auf elektronischem Weg an die Heimaufsicht, das RKI oder das Bundesamt. Es wird nicht mehr endlos viel Papier ausgedruckt, dann gefaxt und von Empfänger:innen wiederum ausgedruckt, sondern die Informationen werden digital zugestellt und erfasst.“
Der nächste Schritt im digitalen Wandel im Kniesehaus ist die Umstellung der Telefonanlage: War bisher jedes einzelne Bewohner:innen-Telefon bei der Telekom gemeldet, müssen künftig mit Einzug in das Kniesehaus weder ein Techniker bestellt noch eine neue Nummer vergeben oder sonstige Schritte beachtet werden. „Das Telefonieren wird künftig über das Internet bereitgestellt. Dann werden beispielsweise die Telefonverbindungen und das Notrufsystem direkt zur Verfügung stehen, jedes Bewohner:innenzimmer seine eigene Durchwahl haben und viele Vorteile mehr.“
Anna Richter kommt immer mehr ins Schwärmen, wenn es um das Thema Digitalisierung geht. Sie hat in den letzten Monaten enorm viel gelernt und sagt augenzwinkernd, erst jetzt wirklich den Unterschied zwischen WLAN und LAN zu kennen. Sie ist überzeugt: „Man muss kein Technikfreak sein!“ Sie nennt ein Beispiel: „WLAN macht möglich, dass einer unserer Bewohner einen französischen Radiosender hören kann, den er so gerne mag.“
Und sie hat noch ein schönes Beispiel parat: „Eine Bewohnerin nutzt die digitale Assistentin Alexa und hat dadurch die Möglichkeit mit ihr zu kommunizieren, sie nach dem Wetter zu fragen oder Schlager spielen zu lassen. Dank der Nutzung ist sie viel selbstständiger.“
Für die Zukunft haben Anna Richter und das Kniesehaus noch viele Visionen: Zum einen soll eine Inventarisierungssoftware eingeführt werden, um alle Geräte im Haus mit einem Barcode elektronisch erfassen zu können. Weiterhin werden für verschiedene digitale Themen Spezialist:innen im Haus für den Wissenstransfer geschult.
In Zukunft soll ein Ortungssystem helfen, wenn sich eine:r der seheingeschränkten Bewohner:innen verirrt hat. Ein weiteres Ziel sind digitale Schlüssel, ähnlich einem Chip für den Einkaufswagen. Damit können unterschiedliche Zugangsberechtigungen für Mitarbeitende und Bewohner:innen definiert werden und dicke Schlüsselbunde haben ein Ende.
Anna Richter fasst zusammen: „Wir erleben auf unserem Weg immer wieder: Je größer das Maß der Digitalisierung in unserem Unternehmen, desto mehr Aufmerksamkeit braucht das Thema Menschlichkeit. Und das leben wir im Kniesehaus.“